Was mache ich hier eigentlich?

Leben auf Autopilot – passiert schneller als gedacht. Manchmal muss die Zeit stillstehen, damit wir weiterkommen. Bei Timo war dafür eine Beerdigung nötig.

Timo Lueg
30.06.2021

Wann warst du das letzte Mal auf einer Beerdigung? Ich erinnere mich noch gut an die letzte: Ein typisch deutscher Januartag, kalt, kein Schnee, viel Sonne und trotzdem ungemütlich. In der unbeheizten Kapelle war es still, auch während der Beerdigung. Mein Leben und der Alltag schienen ganz weit weg, als ob die Zeit für einen Moment nicht weiterlaufen würde.  

 

Solche Momente sind in meinem Leben rar geworden. Im Alltag habe ich sie eigentlich gar nicht mehr. Aber in Situationen wie auf dieser Beerdigung frage ich mich oft unwillkürlich: Was mache ich eigentlich hier? Wer bin ich und was ist in meinem Leben wichtig? Ich erinnere mich an meine Kindheit; lasse die Entscheidungen der letzten Jahre Revue passieren; denke an Familie und Freunde, die ich lange nicht mehr gesehen habe. Ich kriege dann immer das Gefühl, dass das Leben unheimlich schnell an mir vorbeizieht. Mir wird klar, dass ich im Alltag fast ausschließlich im Autopiloten funktioniere: Schnell die Arbeit durchhetzen und dann möglichst noch das Optimum an Unterhaltung und Freizeit aus der restlichen Zeit rausholen. Irgendwie kann das nicht alles sein, denke ich mir dann. Ich hab nicht das Gefühl, dass mir das reicht, dass ich mit all dem Tempo irgendwo ankomme, wo ich auch hinwill.  

»Ich hab nicht das Gefühl, dass mir das reicht, dass ich mit all dem Tempo da ankomme, wo ich auch hinwill« 

Ruhige Momente wie diese konfrontieren mich ganz ungewollt damit, dass ich mich nach dem Sinn hinter meinem Leben frage. Ich bin Christ – im Prinzip, seit ich denken kann. Ich frage mich dann immer, ob ich eigentlich noch glaube, was ich zu glauben behaupte. Dass es einen Gott gibt und dass Menschen nach dem Tod weiterleben. Interessanterweise war ich nach jeder Beerdigung überzeugter vom Glauben als auf dem Hinweg. Ich kenne kein Weltbild, das besser erklären kann, was ich auf Beerdigungen fühle, als das christliche.  

Ich bin froh, dass Momente wie diese Beerdigung mich ab und zu aus dem Autopiloten im Alltag aufwecken. Danach fühlt sich die Welt wieder ein bisschen klarer an. Sonst würde ich wahrscheinlich noch jahrelang von Tag zu Tag hetzen, ohne wirklich zu merken, wie mein Leben vorbeizieht. Es tut gut, mir ab und zu darüber klar zu werden, wer ich bin und was in meinem Leben wichtig ist. Die Frage, mit der es für mich anfängt, ist immer dieselbe: Was mache ich eigentlich hier?  

Und was machst du eigentlich hier? 

Mach mal den Autopiloten aus. Nimm dir 10 Minuten, ein leeres Papier und leg los. Schreib alles auf, was dir zu der Frage einfällt.  

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